Balders Helfahrt

Balder, du blonder, bester der Götter,
Selten du suchst Gesellschaft der Ird’schen!
Schmerz hat gestimmt der Sterblichen Klagen,
Greuel und Graus vergällen die Seelen.
Aber verargen auch wir es nicht dir,
Wonniger! Wer schon wollte dich schelten?
Bringst du doch Blumen, Bergeerklimmer,
Lauere Lüfte, Licht und Gedeihen.
Ledig des Lebens liegt das Geschöpf, das
Treu deinem Tod nie die Träne geweint hat.
Heim kehrst du heil, dem Helreich entflohen.
Bald lässt dann breit die Blicke du schweifen,
Streuest den Strahl der schaffenden Liebe.
Heil deiner Herrschaft, hör unser Lied!

Träumtest auch tief des Todes Verdacht du,
Böse Gebärden, Boten aus Helreich:
Phol und auch Vater fuhren zum Walde,
Brach sich das Bein dort, Balder, dein Fohlen,
Fricka und Folla flüsterten Sprüche,
Sunna und Sinthgunt sagten ihm Sälde,
Wodan auch wohl es wusste zu heilen,
Bein zu Gebein und Blut zu Geblüte,
Glied zu Geglieder und gut war der Galster.
Übles mag Einzug einstmals auch halten,
Trotzdem soll tapfer Tod und Verhängnis
In ihre Augen eiskalt man schauen.
Fahren wird Vater, fragen die Alte,
Walfrau ihm weist des Wunsches Verderb.

Sehr sich da sorgt die sälige Mutter,
Fragt nun in Forst und Feldern nach Eiden,
Esche und Eiche, Eibe und Birke,
Gern sie dir geben Gunst und Gelübde.
Wolf und auch Waffen, Weiber wie Männer,
Schlange und Schwalbe, Schwein und Forelle,
Steine und Stürme, Ströme und Feuer
Schwörn dich vor Schaden stets zu bewahren,
Alles, was ist und ahnet und wirket.
Einzig des einen achtet nicht Fricka:
Mistelzweigs Macht sie meint zu geringe,
Klein noch und kraftlos klebt er da oben,
Bald ihn der Blinde Bruder wird fassen
Wirft ihn, nicht wissend, weh! dir ins Herz.

Ganz ist der Götter Glück nun zerbrochen,
Leben und Lust verlässt ihre Festung,
Fricka gefriert der freundliche Sinn gar.
Wehklagend Wodan weilt dann in Ansgart,
Heischt das Gehör der Hohen im Saale:
„Wer geht den Weg den weiten ins Helreich,
Fordert den Frohen ferne uns wieder?“
Hermut beherzt mit Heervaters Sleipner
Reitet da rastlos, reist bis ins Helreich,
Fordert zu früh den frostbleichen Balder.
Arg ist der Eid der Unterweltgöttin.
Götterkampf gärt schon, gibt die Entscheidung.
Erst wenn der Erde Unheil sich mehret,
Wiederkehrn wirst du, wandeln bei uns.

Runenreihe

Runendreifuß mir Rot klein

Odala, alles ist Eins in dem Urgrund,
Aus Urschlingen ahnen wir Erbgut und Adel.

Dagaz, nun drängt sich ein doppeltes Deuten
Und dringet von drunten vom Dunkel ins Dämmern.

Ingwaz, zu eng wird der Anger dem Ingling,
Dem Enkel und Jungbarn, bald springt er als Jüngling.

Laguz, es legt sich das Licht des Belebers
Auf Lache und Lauchspross, zählt Länge und Laune.

Mannaz, aus Mann und auch Männin wir merken
Und machen uns Muster und Maß der Gemeinwelt.

Ehwaz, du Allross, das Ort und Ereignis
Uns anzeigt durch Erdfahrt im ewigen Einen.

Berkanan, blassbleicher Baumgeist der Birke,
Zu Buhlschaft und Brauttag du bist uns verbunden.

Tiwaz, mit Tau und mit Tagstrahl du trittst hier,
Nach Treue und Tapferkeit trachtend, zum Talgrund.

Sowilo, säliger Segen der Sonne,
Sage vom Sengen, das summt in der Seele.

Algiz, des Aufstrebens Allkraft vereine
Und ordne, zu ernten die Astfrucht am Abend.

Pertho, lass prangen die prächtigen Pfründe,
Die Pollenflug piekste und Pflugschar kann packen.

Eihwaz, im Auf und auch Ab ahnt die Eibe
Als Anderweltader die Artung des Ird’schen.

Jeran, was jung war, hat just sich gejähret,
Nach Joch und auch Jammer man jauchzet beim Jahrfest.

Naudiz, im Niedergang nagt uns die Not an,
Doch nährt sie den Neubeginn, Notwende nahet.

Hagalaz, hege dein Hagel das Heil uns,
Es hindre dein Harm, dass das Hohe verhallet.

Wunjo, du wandelst in wohlige Wonne
Die Welt, wo wie Wiese und Weide wir wachsen.

Gebo, bist gute und gunstvolle Gabe
Dem glänzenden Geist, der nur Großes begehret.

Isaz, du ärgerst mit erzkaltem Eise,
Stichst ein als ein Angstpfeil, der ächzen lässt innen.

Kenaz, ein Kernstück mag kühl sein wie Kienspan,
Doch kennst du’s, dann kündet’s auch Kräfte und Künste.

Raido, du reißt uns zu randferner Reise,
Zu regsamem Ritt ohne Rasten und Rosten.

Ansuz, dein Odem ist Übergeists Atem,
Das eine Aug’ achtet, das andre schaut innen.

Thurisaz, Dorn bist gedeutet du drunten,
Da dräuen im Dickicht Verderbnis und Drangsal.

Uruz, des Urochsen Überkraft eignet
Dem Echten, den Opfer und Andacht geerdet.

Fehu, die fahrende Fracht und das Viehzeug,
Wie viel einer führt, misst ihm Vollmacht und Fehde.

← Hildebrands Lied | Selbstgespräch →

Idisengalster

Idisengalster

Eiris sâzun idisi, sâzun hêra duoder.
suma haft heftidun, suma heri lêzidun,
suma clûbodun umbi cuniowidi:
insprinc haftbandun, infar wîgandun.

Damals saßen die Idisen,
Saßen hüben, hockten drüben,
Manche heftend Haftebande,
Manche haltend ‘s Heer im Banne,
Manche fasst’ die Volkesfesseln:
Entspringt Haftbanden,
– Entfahrt Wieganden!

(Althochdeutscher Ursprungstext des ersten Merseburger Zauberspruchs und eine neuhochdeutsche Übertragung meinerseits)